Ab Herbst 2019 wird es hoffentlich soweit sein: wir werden über eine neue EU-Kommission verfügen sowie ein neugewähltes EU-Parlament. Gemeinsam mit dem Rat der Mitgliedstaaten wird im sogenannten Trilog ein neuer mehrjähriger Finanzrahmen sowie eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) auf die Beine zu stellen sein. Die Handlungsfähigkeit Europas wird nicht zuletzt an benötigter Zeit und sinnvollem Inhalt abzulesen sein.
Wirtschaftlich gesehen muss es einfach gelingen, die Landbewirtschafter an der Wertschöpfungskette teilhaben zu lassen; andernfalls werden europäische Erzeuger Zug um Zug verschwinden, ausländische Rohstoffe und Nahrungsmittel müssen importiert werden und die Kulturlandschaft wird gefährdet.
Geht man etwas mehr in die Tiefe, so wird schnell klar, dass all dies nicht überraschend kommt: Europa als Wirtschaftskontinent definiert sich durch Freihandel, lässt also Produkte von der ganzen Welt herein und will natürlich im Gegenzug Autos und Anderes exportieren. Für den Erzeuger von Grundnahrungsmitteln ist dies natürlich fatal, denn europäischer Brotweizen kann bei knapper Verfügbarkeit mühelos mit ukrainischem, russischem oder US-Weizen ersetzt werden. Die hohen EU-Standards gibt es natürlich andernorts nicht und sie können auch nicht überprüft werden. Der EU-Marktpreis kommt somit nicht vom Fleck und der europäische Landwirt mit seinen höchsten Produktionsstandards muss sich mit Mitbewerbern messen, welche andere Spielregeln haben. Ein unfairer Wettbewerb zu Lasten Europas.
Heute finden wir in Convenience Produkten und Systemküchen chinesische Erdbeeren, sogar Teiglinge für Brot sollen von ebendort kommen. Lebensmittel mit einem europäischen Verpacker oder Hersteller geben keine Auskunft über die Herkunft der Rohstoffe. Der Konsument glaubt so vielleicht, europäische Herkunft zu kaufen, in Wirklichkeit kauft er aber in Russland und China ein, vom Schnitzel mit Bier im Stammlokal über das Holzofenbrot und das Bergbauernjoghurt im LEH.
Landwirt und gleichermaßen Konsument kommen also zu Schaden, letztere werden getäuscht. Regionale Erzeugung und regionaler Konsum zur Stärkung von Umwelt und Tierschutz sehen wahrlich anders aus. Neben den rein wirtschaftlichen Notwendigkeiten gibt es aber auch ökologische Herausforderungen. Die Kombination aus Beiden muss als spannende Aufgabe gesehen werden.
Seit vielen Jahrzehnten werden wir vom Artenschwund begleitet, in Europa und weltweit. Ein Verlust der Artenvielfalt ist unwiederbringlich und die Schäden sind irreparabel. Europa mit seinen uralten Kulturlandschaften kommt hier eine herausragende Bedeutung zu: gelingt es den Nachweis zu erbringen, dass eine Landwirtschaft auf der Höhe der Zeit in der Lage ist, eine vielfältige und reiche Natur, voll von Leben, zu erhalten und den Trend des Artenschwundes umzukehren, dann wäre für Europa und auch den Globus viel erreicht. Europa könnte so wieder eine weltweite Leitfunktion innehaben und als Vorbild dienen. Die Weltwirtschaft würde sich an europäischen Standards orientieren können. Europa könnte sein geistiges und kulturelles Wissen für die Erstellungen von Lösungsansätzen für Klimawandel und Artenschwund verwenden.
Gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft habe ich am Gut Hardegg das Projekt „Bunte Landwirtschaft“ ins Leben gerufen. Dabei geht es erstmals darum, die erbrachten Leistungen für Biodiversität zu erfassen und zu analysieren, weiters daraus machbare Standards für eine zukunftsorientierte Landbewirtschaftung zu beschreiben. Im Wesentlichen ruht am Gut Hardegg der Erfolg rund um Biodiversität auf 4 Säulen:
- eine wildfreundliche Bewirtschaftung
- die ganzjährige Fütterung
- langfristige Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung
- professionelle Lebensraumbetreuung
Jede Säule für sich ist bedeutend, lässt man eine weg, so wird man das gewünschte Ergebnis nicht erreichen. Eine Bewirtschaftung nach diesen Kriterien hat auch große positive Effekte auf Klimaschutz, Wasserschutz und Bodenschutz, weiters ist eine bunte Landwirtschaft deutlich risikoärmer. Und natürlich ist eine bunte Landwirtschaft voll von Leben und wunderschön anzusehen.