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Warum der Aufschrei der Bauern ernst zu nehmen ist

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Getreideernte auf Gut Hardegg | © Gut Hardegg

Ein Gastkommentar von Maximilan Hardegg in DiePresse vom 18.2.2024

Es war der über Jahre angestaute Frust, welchen die Landwirte schlussendlich auf der Straße „entleerten“. Der zündende Funke dieser von Deutschland ausgehenden Proteste ist dabei fast schon unerheblich. Viel interessanter ist, dass sich eine echte Protestwelle daraus entwickelte, von Deutschland über Belgien und Frankreich bis nach Italien und Rumänien. Es scheinen also die Probleme im EU-Binnenmarkt überall die gleichen zu sein: eine erdrückende Bürokratie, zu tiefe Erzeugerpreise, die behördlich immer stärkere Einschränkung der Freiheit, eine realitätsfremde EU Kommission mit absurden Vorschlägen, welche im Green Deal zusammengefasst sind, eine EU Freihandelspolitik mit Südamerika und der im Krieg befindlichen Ukraine, welche im Ergebnis die europäischen Landwirte in schwere Bedrängnis bringt und aus dem Markt drängt.

In einer vor einigen Jahren von der WU Wien, Forschungsinstitut für Familienunternehmen, durchgeführten Studie unter tausend Landwirten in NÖ kam klar das Grundgefühl der Befragten zum Ausdruck, „alles in den Betrieb zu stecken, aber zu wenig zurückzubekommen“. Die vertiefende Nachfrage ergab, dass es hierbei nicht nur ums Geld, sondern vor allem um gesellschaftliche Anerkennung für das Geleistete geht. Diese fehlende Anerkennung führt dazu, dass die Jungen die Betriebe nicht mehr übernehmen wollen: Fast die Hälfte der Betriebsleiter im Alter von 50+ und 55+ wissen nicht, wer den Betrieb übernehmen wird.
Dabei bezeichnen wir Landwirte unseren Beruf als den „schönsten auf der Welt“, die Arbeit unter freiem Himmel, das intensive Erleben von Natur und Jahreszeiten, die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln und deren Vermarktung (und Verteilung) sowie die Sorge um Natur und Umwelt, Biodiversität und Nutztiere erfordern ein hohes Verantwortungsgefühl. In kaum einer Wirtschaftsbranche ist leichter erkennbar, wie eng Freiheit und Glück beisammen sind.

Der Frust kommt daher, dass es den Landwirten offenbar nicht gelingt, einen fairen Anteil an der Wertschöpfungskette von Nahrungsmitteln zu erhalten. Eigene Berechnungen ergeben, dass die Ausgangserzeugnisse für Lebensmittel wie Weizen, Kartoffeln und Fleisch nur für knapp eins bis fünf Prozent der Endverbraucherpreise verantwortlich zeichnen. Weit über 90 Prozent verdienen Verarbeitung, Handelsmarken und Handel. Der Landwirt geht also fast leer aus und schafft es nicht, einen der Leistung entsprechenden Wertschöpfungsanteil durchzusetzen. Als Beispiel sei ein Kilo Brot angeführt, das beim Bäcker 7 €/kg kostet. Der Landwirt bekommt für ein Kilo Weizen 23 Cent, das sind etwas mehr als drei Prozent. Bei Pommes frites ist es noch krasser, da kosten im Fast-Food-Lokal 150 Gramm vier Euro, umgerechnet auf ein Kilo sind das 26 Euro. Der Landwirt bekommt schlappe 20 Cent für ein Kilo Kartoffeln, 0,7 % des Verkaufspreises. Auf diese Art kann man alle Lebensmittel auf ihren landwirtschaftlichen Wertschöpfungsanteil hin untersuchen. Es gilt das Prinzip: Je höher die Verarbeitungsstufe, umso geringer der Anteil für den Landwirt.

Schritt in die Freiheit

Ein weiterer Frustpunkt ist die Ordnungspolitik samt überbordender Verwaltung. Als Österreich 1995 der EU beitrat, war das für alle fortschrittlich denkenden Landwirte ein Schritt in die Freiheit. Von einem geschützten und streng reglementierten Markt, wir mussten damals bei der Bauernkammer jährlich Berechtigungsscheine einlösen, traten die Landwirte in einen großen Binnenmarkt ein und fanden eine Vielzahl von Chancen vor.
Über die vergangenen Jahrzehnte hat sich die Gemeinsame Agrarpolitik leider schlecht entwickelt, eine wahre Regulierungswut prasselt auf die Betriebe nieder, und die Agrarverwaltung, aber auch andere Behörden, tun ihr Übriges, um die Betriebe zu piesacken. Anstatt mehr Freiheit und Eigenverantwortung gibt es mehr Gesetze und Regelungen.
Den Verantwortlichen in der EU Kommission und den Ländern ist offenbar nicht bewusst, dass noch mehr Gesetze und Verbote sicherlich nicht das gewünschte Ergebnis für Umwelt und Co. bringen werden, sondern im Gegenteil eine Blockadehaltung samt passivem Widerstand ördern. Die Bauernproteste zeigen jedenfalls klar auf, dass die Ordnungspolitik ausgedient hat. Leider hat die europäische Staatengemeinschaft auch beim Thema Ukraine und Landwirtschaft keine glückliche Hand bewiesen. Vielleicht war es human gedacht, aber trotz aller Warnungen hat man das alte Assoziierungsabkommen mit der Ukraine über Bord geworfen und einen zoll- und quotenfreien Import von Agrarprodukten wie Weizen, Mais, Sonnenblume, neuerdings auch Zucker und Fleisch in die EU zugelassen. Dass die globalen Handelsriesen wie Cargill und Dreyfus sich nicht zweimal bitten ließen, ist klar. Die Folge ist seit zwei Jahren eine Überflutung der europäischen Märkte mit ukrainischen Produkten samt Preisverfall. Europa kauft so den bedürftigen Schwellenländern Getreide und Ölsaaten sprichwörtlich vor der Nase weg und schädigt gleichzeitig die eigenen Erzeuger. So hilft die EU aktiv mit, dass der russische Einfluss in den importierenden Schwellenländern erhöht wird.
Jeder Landwirt weiß, dass die ukrainische Landwirtschaft, welche knapp ein Drittel der europäischen Ackerfläche umfasst, nicht vom EU-Binnenmarkt aufgenommen werden kann, einerseits aufgrund der Menge, andererseits aufgrund der dort nicht existierenden Sozial- und Umweltstandards. Eine europäische Ukraine-Hilfe muss daher ehrlich sein, darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die heimischen Betriebe unter die Räder kommen.


Hoffnungsfrohe Zukunft?

Oft wird auch über die Kosten ür die europäische Landwirtschaft heftig diskutiert. Eine kurze Aufklärung: Durchschnittlich gehen jährlich 2 %des europäischen Steueraufommens an die EU, 98 % geben die Mitgliedstaaten national aus ür Pensionsstützungen etc. Von diesen 2 % werden etwas mehr als 30 % ür eine gemeinsame Agrarpolitik aufgewandt. Für den Bürger bedeutet dies, dass er für etwas mehr als 0,5 % der Steuereinnahmen sichere und leistbare regionale Nahrungsmittel erhält, welche nach einheitlichen Standards erzeugt werden, an strenge Umwelt- und Tierschutzauflagen geknüpft sind usw. Eigene Berechnungen ergeben, dass für auf diese Weise grundversorgte Bürger sechs bis acht Euro pro Jahr und Konsument an öffentlichem Geld eingesetzt werden. Ich meine, dies ist ür die Europäer ein sehr gutes Geschäft! Warum die verantwortlichen Politiker nicht in der Lage sind, diese einfachen Zusammenhänge besser zu erklären, weiß ich nicht.

Die Zukunft könnte jedenfalls eine hoffnungsfrohe sein: Europa erkennt und schätzt die Bedeutung der Selbstversorgung seiner Bürger mit Nahrungsmitteln. Gleichzeitig wird das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft formuliert. Die Landwirte selbst übernehmen die Verantwortung da für und legen für ihre Leistungen entsprechende überprübare Berichte vor. Diese gelebte Eigenverantwortung würde dem europäischen Lebensmodell besser entsprechen als das bisherige. Am besten, die Landwirtschaft fängt damit gleich an.

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