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Österreich als Vorbild in Sachen Artenvielfalt und Naturverständnis. Das muss kein Traum sein…

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EIN PLÄDOYER FÜR DEN WERT DER NATUR

Gemäß einer aktuellen Karmasin Umfrage bezeichnen sich knapp 85% der Österreicher als Naturliebhaber. Gut so. Gleichzeitig bekunden ebensoviele, dass sie Veränderungen in der Natur wahrgenommen haben. Es scheint, dass die Natur und ihr Schutz uns nahegehen.
Wie ist es aber um unsere Natur wirklich bestellt, wie gehen wir mit den natürlichen Ressourcen Boden, Landschaft, Wasser, Flora und Fauna um? Haben wir begriffen, dass es sich dabei um nichts weniger als um unsere Lebensgrundlagen dreht? Mit anderen Worten: zerstören wir die Natur, dann wird es auch für uns ungemütlich und unwirtlich.

Unser Problem ist, dass wir die Natur zwar für Urlaub und Erholung suchen und brauchen, sie aber im Alltag keinen Stellenwert hat, es scheint, als ob wir ein umfassendes Naturverständnis verloren haben. Wenn es um neue Bauplätze, Straßen, Windräder, Erschließung von Erholungsgebieten usw geht, dann denken Landespolitiker, Bürgermeister und deren Raumplaner nur an sich, an Asphalt und Beton, neue Schigebiete, Radwegenetze, nicht aber an die Natur und deren Unversehrtheit. Genauso sieht unser Land heute auch aus: die Verbauung und Verschandelung nimmt kontinuierlich zu, Experten rechnen uns eine Versiegelung von über 10 ha täglich vor, gleichzeitig ein Verfall der alten Bausubstanz in den Ortskernen, eine unbotmäßige Ausdehnung der Speckgürtel der Städte, allen voran Wien, ohne dabei ausreichend ökologische und stadtklimatische Ausgleichsmassnahmen zu setzen, von schönen Anblicken, Ensembleschutz und Schutz des Landschaftsbildes ganz zu schweigen. Machen wir so weiter, dann wird sich die Erfolgsformel Österreichs als Kulturnation inmitten schöner Natur langfristig und flächendeckend nicht aufrecht halten lassen.

Auch die Landbewirtschafter sind nicht viel besser. Jeder Quadratzentimeter wird genutzt, es gibt keine Wegböschungen mehr, Gräben und Bachläufe werden bis zur Wasserkante mehrfach jährlich gemäht, Hecken und Windschutzanlagen regelmäßig zusammengestutzt und selbst die Flächen, welche im Agrarjargon den Namen „Biodiversitätsfläche“ tragen, werden mehrmals jährlich gemäht, fast immer in der Brut- und Setzzeit der Wildtiere, was der Vermehrung derselben großen Schaden zuführt. Selbst Grünland und Biolandbau sind der Artenvielfalt kaum zuträglich, wird dort doch intensiv mechanisch gearbeitet, vom 3-4 maligen Schnitt von Grünland bis zum intensiven mechanischen Bearbeiten der Bodenoberfläche. Eine neue Sauberkeit und Ausgeräumtheit greift um sich, sehr zum Schaden der Artenvielfalt. Oftmals hört man von Bauern, dass dies alles wegen der Agrarverwaltung so ist, da diese europaweit eine digitale Erfassung aller Flächen erfordert, es darf also nichts „liegen bleiben“. Stimmt aber nur zum Teil, denn wer will, kann etwas für die Natur tun, trotz Agrarverwaltung.

Das Ergebnis von all dem ist mehr als betrüblich. Seit den 1980er Jahren haben wir einen Gutteil von Artenvielfalt und Biodiversität in Österreich und Europa verloren, die Vorkommen der gängigsten Singvögel wie Goldammer, Stieglitz, Kiebitz, Feldlerche, Turteltaube und selbst vom Hausspatz, sind um bis zu 60% zurückgegangen. Geht die Entwicklung so weiter, dann droht uns bald ein „stummer Frühling“. Dieser schleichende Niedergang der Artenvielfalt führt zu einer Verarmung unserer Ökosysteme, sie drohen daher zu kippen und dies stellt auch ein Risiko für unsere Lebensqualität dar.

Um diesen Negativtrend zu stoppen, brauchen wir mehr Naturverständnis und Rücksichtnahme. Wir müssen damit anfangen, unsere ausgeräumten Landschaften wieder einzuräumen, sie sprichwörtlich zu renaturieren, den Wildtieren wieder Platz einräumen. Wir müssen damit beginnen, unsere Flußläufe als Inbegriff von Artenvielfalt zu verstehen und sie dementsprechend naturnah pflegen, wir brauchen eine Raumordnung in den Ländern, welche endlich den Irrsinn der wahllosen Verbauung abstellt, als erster Schritt könnte den Bürgermeistern die Last als 1. Bauinstanz entzogen werden.
Wir brauchen Landbewirtschafter, welche endlich den Beweis antreten können, ob sie noch einen „grünen Daumen“ und ein „Händchen für die Natur“ im Wald und in der Feldflur haben. Eine klar auf Artenvielfalt fokussierte Agrarpolitik könnte hier als Schrittmacher fungieren.
Aber auch jeder Gartenbesitzer kann sein eigenes wertvolles Ökosystem schaffen, z.B. über ganzjährige Vogelfütterung, Pflanzenvielfalt und „verwilderte“ Ecken. Das geht natürlich auch bei Sport- und Spielplätzen, Park- und Golfanlagen.

Gut Hardegg arbeitet seit Jahren nach dem Motto „gelebte Artenvielfalt“. Wir nehmen in der täglichen Arbeit Rücksicht auf die Natur, erhalten Wegböschungen und Hecken, legen Wasserlöcher und Blühstreifen an, schützen Uraltbäume, setzen auf große Pflanzenvielfalt, verzichten auf Nachtarbeit und füttern die Singvögel unserer Feldflur ganzjährig. Ganz wichtig ist es auch, für die nötige Ruhe zu sorgen, die Natur braucht Schutz und Ruhe, vor allem vor uns Menschen. Obwohl dies allesamt kleine Maßnahmen darstellen, sind die Erfolge unserer Arbeit ganz erstaunlich, wir werden mit einer reichen und satten Natur, voll von Leben und Schönheit, beschenkt. Letzten Sommer konnten deutsche Ornithologen ganze 71 Vogelarten in nur drei Tagen in unserer Feldflur feststellen und staunten, da es „so etwas in ganz Deutschland nicht gibt“. Sie werden sich fragen, warum wir das tun? Weil ich davon überzeugt bin, dass es richtig ist, weil mir etwas fehlen würde, wenn ich auf Kosten der Natur wirtschaften würde, weil es mein Unternehmen und hoffentlich meine Mitarbeiter mit Sinn erfüllt. All unsere Erfahrungen habe ich in einem Programm verarbeitet mit dem Titel „Lebensraum Acker – Artenvielfalt in der Landwirtschaft“.

Um mehr Nachahmer und Mitstreiter zu finden, wird es wichtig sein, in der schulischen und fachberuflichen Ausbildung das Thema Naturverständnis als Unterrichtsfach zu verankern, um so einen breiten Bewusstseinswandel in der Gesellschaft einzuleiten. Dann würden Bauern, Bürgermeister, Politik und Behörden folgen. Unserer Erfahrung nach wäre eine Trendwende bei der Artenvielfalt der Feldflur in etwa sieben Jahren bundesweit möglich. Die Verantwortung dafür liegt jetzt eindeutig bei der Politik, vor allem der Agrarpolitik, als Weichenstellerin für die Landbewirtschaftung. Gelingt dies, dann könnte Österreich sein Wertversprechen als Land der Natur und Hochkultur glaubwürdig einlösen und in Europa und der Welt eine echte Vorbildrolle einnehmen.
Gerade im außerordentlichen Jahr 2020 können wir beobachten, welch große Bedeutung der Natur zukommt – zum Spazieren und sprichwörtlichen Auslüften, zum Reflektieren und Kraft sammeln, zum Suchen von Trost und Ruhe, zum Arbeiten im Garten. Natur als Sinnstifterin.

Ohne den Einsatz von Meinungsbildern und Vordenkern, wird man die Mauer der Ignoranz aber nicht niederbrechen können, ein Umdenken nicht erreichen. Im Ergebnis können diese Bemühungen dazu führen, dass wir bei der dynamischen Weiterentwicklung von Stadt und Land auf die Belange der Natur und ihrer Bewohner Rücksicht nehmen, Ruhezonen und Biotope schaffen, das Land wieder Stück für Stück renaturieren und die Artenvielfalt fördern, trotz oder vielleicht sogar weil wir da sind. Die Österreicher der Zukunft sollten über ein gutes Naturverständnis verfügen, dabei langfristig denken – mit Blick auf die Lebensgrundlage der nächsten Generationen – und der Natur und ihrem Schutz einen hohen Stellenwert im Alltag einräumen. Österreich als Vorbild in Sachen Artenvielfalt und Naturverständnis. Das muss kein Traum sein.

Ihr Maximilian Hardegg

Dipl.-Ing. Maximilian Hardegg (*1966) studierte Agrarwissenschaften an der TU München-Weihenstephan und leitet den Familienbetrieb seit über 20 Jahren. Hardegg ist in vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten rund um die Landwirtschaft tätig gewesen. Gut Hardegg gehört zu den innovativsten Betrieben Österreichs und ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, vor allem für seine Arbeit rund um Nachhaltigkeit und Biodiversität.

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